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Schiedsrichter Urs Meier (links)
während dem Match Portugal-England. Rechts: David Beckham und Wayne Rooney.
(Keystone) |
Der Schweizer Schiedsrichter Urs Meier kam unter Polizeischutz,
nachdem er in Zusammenhang mit dem Ausscheiden Englands Todes-Drohungen
erhielt.
Meier erkannte den Engländern in der 90. Spielminute
korrekterweise ein Goal ab. Die Polizei riet ihm, unterzutauchen, bis sich die
Sturmwolken verzogen
hätten.
Von der englischen Boulevard-Presse wird Urs Meier aufs übelste
verunglimpft, seit er letzten Donnerstag im Viertelsfinal zwischen Portugal und
England dem englischen Team wegen einem Foul ein Tor aberkannte. England verlor
darauf die Partie aufgrund 6 : 5 geschossenen Penaltys.
In der Folge
spürten Reporter des britischen Revolverblatts "The Sun" Meiers Familie auf,
hissten eine grosse englische Fahne in einem benachbarten Feld seines Hauses in
der Nordschweiz und publizierten Fotos dieser "Heldentat".
Nachdem
Zeitungen seine Internet-Adresse veröffentlicht hatten, erhielt Meier mehr als
16'000 e-Mails – einige davon mit Drohungen.
swissinfo: Sie sind gerade aus Portugal von der Euro 2004
zurückgekehrt und haben Morddrohungen erhalten. Wie reagieren Sie?
Urs Meier: Ich denke, ich hatte eine sehr schöne
Europameisterschaft mit drei tollen Matchs, was mir Freude macht. Andererseits
bereitete mir die englische Presse, allen voran The Sun, einen wirklichen
Schock. Seither habe ich Sicherheitsprobleme, während der Arbeit, und bei mir
persönlich. Das ist ja wohl kaum die richtige Art, Entscheide von
Schiedsrichtern in Frage zu stellen, egal ob sie gerechtfertigt sind oder
nicht.
swissinfo: Stimmt es, dass man Ihnen Polizeischutz in Aussicht
gestellt hat und Ihnen nahe legte, das Land für einige Tage zu verlassen.
U. M.: Die Polizei ist präsent, und ich nehme die Drohungen
ernst. Aber man hat mir nicht geraten, das Land zu verlassen, sondern nur,
irgendwohin zu gehen, wo man mich nicht kennt.
swissinfo: Sorgen Sie sich um die Sicherheit Ihrer Familie und
Ihrer Mitarbeiter?
U. M.: Ich hoffe, dass die ganze Reaktion mir gilt und nicht den
Mitmenschen in meinem Familienkreis oder in meinem Betrieb. Und ich hoffe auch,
dass nach der Euro 2004 der Alltag zurückkehrt, dass die Leute vergessen und
dass ich mein Privatleben zurückerhalte.
swissinfo: Wie reagieren Sie auf diese gegen Sie gerichtete
Medienkampagne?
U. M.: Ich bin sehr schockiert über das, was hier abgelaufen ist,
über die Attacken von The Sun, seitens der Fans und der restlichen Zeitungen.
Ich bin es wirklich, denn mein Entscheid war zu hundert Prozent korrekt. Die ganze Welt konnte am Fernsehen mitverfolgen, dass er korrekt
war. Ich dachte immer, dass die Grundregel des Fair Play in England hoch
gehalten werde, inklusive dem Respekt gegen den Funktionären. Niemals hätte ich
eine solche Reaktion erwartet.
swissinfo: Wie steht es nun um Ihre Gefühle gegenüber England und
den Engländern, jetzt, besonders gegenüber The Sun?
U. M.: Üblicherweise gefallen mir der englische Fussball und die
Engländer sehr. Letztes Jahr war ich vier Wochen dort und weiss natürlich, dass
nicht alle Engländer gleich sind. Aber einige Fans scheinen mir
gegenwärtig wirklich reichlich überhitzt zu wirken. Auch empfinde ich es als
unrecht, dass eine Zeitung wie The Sun einem derart ins Privatleben
einbricht. Auch zitierte man mich, als ob ich gesagt hätte, mein
Entscheid sei nicht korrekt gewesen. Nie habe ich etwas derartiges gegenüber den
Medien erwähnt, weil ich weiss, dass der Entscheid eben zu hundert Prozent
korrekt war. Auch diese Erfahrung ist neu für mich – dass Geschichten
über mich geschrieben werden, die einfach unwahr sind.
swissinfo: Diese EM war für Sie als Schiedsrichter die letzte.
Die Affäre muss Ihnen unter diesen Umständen schon sauer aufgestossen
sein?
Gegenwärtig ganz bestimmt. Denn ich denke, dass der Match
Portugal-England zu den besten der EM gehörte, und auch sonst einer der besten
war, an dem ich je gepfiffen habe. Nach dem Match hatte ich persönlich
ein gutes Gefühl. Ich bin auch sicher, dass alle Spieler und Trainer - auch die
englischen - mit meiner Leistung zufrieden waren. Aber im Moment ist es
wirklich nicht einfach mit diesem Boulevard-Blatt.
swissinfo-Interview:
Adam Beaumont
(Übertragen aus dem Englischen: Alexander Künzle)
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