Espinho (dpa) - Wenn Blicke töten könnten, dann müsste Pierluigi Collina
eigentlich mitunter in den Verdacht des versuchten Totschlags geraten. Muss er
aber nicht. Denn der bisweilen stechende Blick des 44-jährigen
«Welt-Schiedsrichters 2003» kann sich - je nach Situation - «augenblicklich» in
ein sanftmütiges Lächeln verwandeln.
Der glatzköpfige Italiener mit den blauen Augen schafft den Spagat zwischen
Strenge und Güte mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit und verschaffte sich
mit dieser Attitüde den nötigen Respekt. Der Finanzberater aus Viareggio kann
seine Kompetenz als Leiter des Eröffnungsspiels zwischen dem ambitionierten
EM-Gastgeber Portugal und dem vom deutschen
Erfolgscoach Otto Rehhagel trainierten Außenseiter Griechenland unter Beweis stellen - und Maßstäbe setzen.
«Ich pfeife zum ersten Mal das Eröffnungsspiel eines großen Turniers. Das ist
auch für mich etwas Besonderes», meinte Collina vor einer der letzten großen
Bewährungsproben seiner Kunst an der Pfeife. Wegen Überschreitens der
Altersgrenze wird man den Leiter des von den Deutschen mit 0:2 gegen Brasilien
verlorenen WM-Finales 2002 bei der WM 2006 in Deutschland vermissen.
Wie bei so vielen Highlights seiner Karriere wartet im «Stadion des Drachens»
von Porto kein leichtes Amt auf Collina. Er kann den elf Kollegen aus Europas
Elite den möglichen Weg zur Bewältigung ihrer Aufgabe aufzeigen und die
Messlatte für deren Entscheidungen legen. Deswegen war die Wahl des Frontmannes
der Gilde durch die Schiedsrichter-Kommission der UEFA wohl bedacht, auch wenn
sie nach bisherigen Gepflogenheiten damit Collinas Einsatz im Finale nahezu
ausschließt. «Das war jedenfalls bisher so Usus», sagte der deutsche Referee
Markus Merk aus Kaiserslautern. Dessen Final-Chancen steigen, wenn ihm nicht
ausgerechnet das deutsche Team mit dem Vorstoß in Final-Nähe einen Strich durch
die Rechnung macht.
Merk wird erst Mal genug Mühe haben, das von ihm euphorisch erwartete
Top-Spiel zwischen Titelverteidiger Frankreich und England am Sonntag in Lissabon in geordnete Bahnen zu
lenken. Die von der Kommission herausgegebene Prioritätenliste lenkt ihr
Hauptaugenmerk auf die primär bemängelte Verhaltensweise der Spieler: Brutales
Spiel, Trikot-Zupfen, Nichteinhalten der 9,15-m-Distanz bei Freistößen,
übertriebener Torjubel (Ausziehen des Trikots) und die Simulation von Fouls
zwecks Schinden von Freistößen oder Elfmetern.
«Gelb» ist nach dem Motto «Null Toleranz» die Konsequenz aus derartigem
Fehlverhalten, für das die Trainer zwar verantwortlich gemacht, aber nicht zur
Rechenschaft gezogen werden können. Diese haben eher durch das Verlassen der
Coaching-Zone mit dem Verweis auf die Tribüne zu rechnen, als durch die
Verbreitung blauen Dunstes. Rauchende Trainer sind verpönt und werden, wenn sie
der Aufforderung des vierten UEFA-Mannes nicht nachkommen, die Zigarette
auszudrücken, der Disziplinar-Kommission «gemeldet».
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